Montag, 14. November 2005

New York November 2005






10.11.2005 – unser allererster Start in die große weite New York Welt!
Wie übersteht man achteinhalb Stunden Flug ohne größere Schäden? Das werden wir herausfinden (müssen).
Zumindest gibt es einen sehr großen Vorteil: Es sind nur wenige Leute an Bord – ganze Reihen von Vierersitzen in der Mitte sind sogar völlig passagierfrei! Das macht es sogar möglich, daß man sich für Stunden lang ausstrecken kann! Ein bisschen „vor“schlafen wäre vielleicht auch nicht schlecht, denn bei einer Zeitverschiebung von sechs Stunden ist für uns der erste Tag in New York genau 30 Stunden lang! Ha – das würde man sich zu Hause auch manchmal wünschen, aber das Körperchen kann da leider nicht so ganz Schritt halten!
Mental sind die 8 1/2 Stunden auch eine Herausforderung, wenn man nicht schlafen kann, so wie ich. Aber es gibt ja einiges an Abwechslung: Da sind zunächst die umfangreichen Einreisepapiere und Zollerklärungen, die ausgefüllt werden müssen, zwei Spielfilme laufen über BordTV, und dann werden wir natürlich von der Crew versorgt mit Erdnüsschen, Getränken und den typischen Puppenstubenmenus! Die liebe ich! Auf etwa 30 x 20 Zentimetern hat man alles, was das Herz begehrt – sensationell! Irgendwie kann das doch nicht ausreichend sein, oder? Aber es ist! Wie kommt das? Keine Ahnung, aber es ist wundervoll, einen 8 qcm Salat (gemischt!), ebensoviel Tiramisu und ein heißes Hauptgericht zu verspeisen! Dazu Brotchen, Käschen, Bütterchen, Säftchen und ein Schokolädchen….zu niedlich!

Unser Programm für wenige Tage ist vollgestopft…unter anderem auch mit der Harrypremiere, die einige Stunden unserer New York Zeit verbrauchen wird – und MUSS!Alles andere habe ich genauestens geplant und notiert, gelesen und gebucht – monatelang und zwar schon im Jahr 2001.
Dann kam der 11. September.
Ich weiß auch noch ganz genau, was ich in dem Moment gemacht habe:
Hab´ vor dem Fernseher gehockt, irgendeine amüsante Gerichtsshow verfolgt und dabei die Geburtstagspäckchen für meine Mama eingepackt, als das Programm unterbrochen wurde und das Entsetzen begann.
Anfangs sah es für mich auch aus wie ein Unfall – ein ganz schrecklicher, aber als dann der zweite Turm getroffen wurde, durfte man daran nicht mehr glauben. Wenn überhaupt möglich, wurde es noch schlimmer, als auch die anderen beiden Angriffe bekannt wurden….irgendwie hatte ich das Gefühl, daß plötzlich die ganze Welt explodieren würde und es genauso gut gleich auch hier in unserem Wohnzimmer passieren könnte.
Noch dazu alle die Bilder im Fernsehen….mein Entsetzen kann ich kaum beschreiben, denn so vieles hab´ ich ja wieder erkannt, da ich doch gerade seit Monaten dabei war, alles greifbare Material zu New York zu studieren, um unsere Reise vorzubereiten! Die Straßenschilder, die Häuser – alle mögliche war mir regelrecht vertraut allein von den vielen Fotos in den Reiseführern!
Ganz besonders erinnere ich mich an den Wintergarten ganz unter Glas zwischen Word Trade Center und World Financial Center.. ..Hier konnte man unter Palmen Mittag Essen, und genau das hatte ich für einen bestimmten Tag schon eingeplant. Und dann genau dieses Bild im Fernsehen: das Glasdach zerfetzt…und da waren sie tatsächlich auch, die Palmen, aber abgeknickt und nur noch kümmerlich vorhanden. Dazwischen überall die verzweifelten, rußverschmierten und blutenden Menschen….
Das Entsetzen war mir selbst nah und mir wurde da erst bewußt, wie intensiv vertraut ich inzwischen schon mit all´ dem war – und alles doch nur theoretisch und über Bilder! Wie muß es erst den Menschen ergehen, die hier ihre Heimat haben oder noch schlimmer – ihre Angehörigen verloren haben!

Weggetraut vom Bildschirm habe ich mich nicht mehr, selbst am nächsten Tag noch.
Da hatte meine Mama 80. Geburtstag, und so richtig aufs Feiern konnten wir uns alle nicht konzentrieren.

Eins war mir aber damals klar: alle unsere New York Pläne wurden erstmal beiseite gelegt. Ich konnte einfach nicht reisen. Zum einen natürlich weil die Angst vor neuen Anschlägen blieb, und weil auf der anderen Seite uns alle das Gefühl bedrückte, nicht als Touristen mitten hinein in eine solche Katastrophe fahren zu können, ein paar Bilder zu machen und wieder nach Hause zu fliegen. Schrecklich. Nicht möglich!

Vier Jahre hat es gedauert, bis es dann doch soweit war – oder genauer gesagt: bis wir wieder soweit waren.

Immer noch unter dem Eindruck der Ereignisse empfinden wir es dann alle als ein absolutes Muss, auch Ground Zero zu sehen.
Unser allererster Weg am allerersten Tag führt uns allerdings zur Freiheitsstatue
Das Gefühl, mit dem Schiff durch die Bucht auf sie zuzufahren, sie aus einem Blickwinkel anzusehen, wie sie Millionen von verzweifelten, glücklichen, erschöpften oder einfach nur todmüden Einwanderern schon vor uns gesehen haben – und dann tatsächlich die eigenen Hände auf sie zu legen….dieses Gefühl ist unbeschreiblich.
Trotz Andenkenrummel….dieser Platz hat etwas Besonderes, Feierliches, Erhabenes, ja auch Trotziges, denn was wird doch die Freiheit so oft mit Füßen getreten….schwer zu beschreiben. Ich denke, wir persönlich haben es jedenfalls so empfunden. Jeder eher still, in sich gekehrt und in eigenen Gedanken unterwegs.

Von der Nordseite der Freiheitsstatue aus hat man einen freien und wirklich atemberaubenden Blick auf die Skyline von Manhattan.
Auf einer dort aufgestellten Bildtafel der gleiche Blick vor dem 11. September. Vergleicht man das Bild mit dem originalen Blick, erkennt man noch viel deutlicher die Lücke, die entstanden ist.
Viele New Yorker sagen, dass sie sich in ihrer Stadt seitdem wie orientierungslos fühlen. Die Türme markierten „Downtown“, die südlichen Stadtbereiche, wie nichts anderes. Jetzt der Ort einer unvorstellbaren Katastrophe, auch nach Jahren noch.
Nachdem wir wieder an der Südspitze Manhattans mit der Fähre angelegt haben, ist denn dieser Platz auch unser nächstes Ziel.
Abgesprochen, aber auch in stillem Einverständnis. Keiner von uns will sich das ersparen.
Wir sind zunächst etwas in Sorge, ob wir zwischen all´ den riesigen Baustellen hier finden, was wir suchen. Keiner möchte gerne nach „Ground Zero“ fragen wie nach einer Art Sehenswürdigkeit.
Ich erinnere mich daran, dass ich einen Bericht über St. Pauls Chapel gelesen habe, eine kleine Kapelle, die in unmittelbarer Nähe steht und wie durch ein Wunder keine Schäden erlitten hat, nicht einmal eine Fensterscheibe ist bei der Katastrophe zu Bruch gegangen. Vielleicht sogar mehr als ein Wunder…. Hier wurden all´ die Helfer und Retter in den schlimmsten ersten Stunden und Tagen mit einem Schlafplatz für eine kurze Rast, mit Verpflegung und Beistand versorgt.
„St. Pauls Chapel?“ fragen wir also - und nach ein wenig Umherirren sind wir da.

Vor kurzem sagte jemand zu mir: „Ground Zero? Was wollt Ihr da? Da gibt´s ja nichts zu sehen.“
Darüber habe ich lange und kritisch nachgedacht.
„Nichts“?
Allein die Tatsache, dass es “nichts“ – gar nichts mehr von diesem unvorstellbar massiven Gebäudekomplex zu sehen gibt, ist mehr als beklemmend.
Und nur hier zu stehen, gibt ein unmittelbares Gefühl für die Katastrophe, die diese Stadt erleiden musste.
Eine riesige geräumte Baugrube ohne Bauarbeiten. Hier und da sieht man eine Maschine, aber nichts bewegt sich. Fast menschenleer. In der Mitte eine Subway Station – wiederaufgebaut – aber wie verloren in dem Nichts und normalerweise unter Tage und nicht zu sehen.
Hinter dem Drahtzaun eine schlichte Gedenkstätte für die getöteten Feuerwehrleute und Polizisten und ein einfaches Holzkreuz aus verrosteten Eisenteilen. Am Zaun Tafeln mit Tausenden von Namen, daneben eine Timeline des 11. September - eine minütliche Abfolge der Ereignisse. Die Flugzeuge kamen aus Boston….genau wie unseres gestern….
Wir stehen lange hier…lesen…schauen….leiden mit. So viele Menschen, so viele Familien, so viele Betroffene….verzweifeltes Suchen, Ungewissheit.
Wie lange dauert es, bis man die Hoffnung aufgibt, die Liebsten, die man hat, wiederzusehen? Tage? Wochen? Monate? Wahrscheinlich nie.
Man möchte sich das Sterben und all´ die Qualen nicht vorstellen, aber man fühlt es hier unmittelbar.
Die Lücke, die vorhin von Liberty Island aus gesehen im Stadtbild so deutlich war – hier noch ungleich schlimmer. Lücken, die so viele Menschenleben hinterlassen haben und die niemals und durch nichts wieder geschlossen werden können.
Die Wolkenkratzer ringsum – schwindelerregend hoch – und dennoch waren diese beiden Türme doppelt so hoch – wirklich kaum vorstellbar….und genauso unvorstellbar, dass solche Massen von Material zusammenstürzen und alles unter sich begraben.
Grenzenlos das Wunder für jeden, der entkommen konnte – mit Mühen oder durch Zufall oder mit Hilfe von Helfern, von denen viele anschließend hier im Einsatz ihr eigenes Leben lassen mussten.

Es ist schwierig, sich nach Stunden umzudrehen und wieder Richtung Broadway zu gehen. Es sind nur wenige Schritte….
Lautes Glitzern und unendliches Leid – so nah nebeneinander....
Es ist, als würde man wieder ins Leben zurückkehren mit dem Bewusstsein, dass nichts selbstverständlich und alltäglich ist….

Der Times Square – was könnte es für einen krasseren Unterschied geben?
Eigentlich kein quadratischer Platz, sondern eine Art längliche Straßenkreuzung von Braodway und Seventh Avenue. Unglaublich bunt, laut und überfüllt. An allen Häuserfronten riesige Leuchtreklamen und Videowände, Werbespots ohne Ende, die normalerweise im Fernsehen hintereinander laufen, hier alle gleichzeitig nebeneinander, übereinander und dazwischen noch mehr Geglitzer und Geblink!
Autsch! Das schmerzt im Auge!
Ich suche hier aber etwas ganz Bestimmtes…..mal sehen, ob….und wo….AHA! Tatsächlich – relativ leicht zu finden: die MTV – Studios! Das Studio, in dem die Aufnahmen für die Sendung „TRL“ stattfinden, hat eine breite Glasfront im ersten Stock, und alle Gäste werfen von hier aus einen Blick auf die draußen auf dem Bürgersteig hoffnungsvoll wartenden Fans – oder auch nicht - je nachdem.
Dieses Mal um 17.00 Uhr ist nicht nur eine riesige kreischende Menge auf dem Bürgersteig versammelt, sondern auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite – und auf dem schmalen Mittelstreifen - und auf der Straße mitten im Verkehr, hin- und hergetrieben von schreienden und um wenigstens minimale Sicherheit und Ordnung bemühten Polizisten.
Heute gibt es nämlich einen speziellen Gast bei „TRL“, und da ich nun schon mal zu genau dem richtigen Zeitpunkt an Ort und Stelle bin, darf ich mir das nicht entgehen lassen. Dan Radcliffe, Mr. Potter persönlich, spricht vor!
Natürlich bin ich auch nur Zaungast auf der Straße, aber es interessiert mich schon, wie der Blick von hier draußen ins Studio aussieht, während ich bisher bei allen anderen Auftritten nur die Videoaufzeichnungen im Internet gesehen habe!
Kurz und gut! Die Menge kreischt….Plakate werden hochgerissen…irgendwas oder wer muß am Fenster zu sehen sein! Aber nicht von mir – ich sehe nur die Rückseite aller möglichen Poster! Oder noch weniger!
Ha – wie sollte es auch anders sein! Da bin ich ja mal gespannt auf morgen….Harry US Premiere....
Ach ja....und dann war da noch Ryan…Ryan in New York….oder genauer gesagt in "Olive Garden" einer bekannten Restaurantkette. Und die ist absolut empfehlenswert....
Wenn wir auch erstmal nicht weiter kamen als in den Vorraum, um darauf zu warten, „geseatet“ zu werden...., das heißt, am Eingang wartet jeder hoffnungsvolle Gast zunächst auf „seinen“ Ober und wird dann an einen speziellen Tisch gebracht. (Daran mussten wir uns die ersten Male in London auch erst gewöhnen…nicht einfach hinsetzen und fertig….!).
Hier war´s jedenfalls brechend voll…sogar die Wartebänke im Vorraum…ringsrum nicht einmal da ein Sitzplatz! Ooooooch!
Aber: wir bekamen ein Dings, das wie eine leuchtende Scheibe aussah….???? Damit durften wir erstmal wieder gehen. Ich war doch etwas verwirrt….was jetzt? Doch nur Mc Donald heute Abend?
Nein!
Kaum zu glauben, aber wie ich mir hab´ erklären lassen, würde das Ding blinken, wenn wir wiederkommen könnten…totale Verwirrung….
Ein kleiner Drink also in einer Bar in der Nähe….und man glaubst es nicht: Es hat das wirklich gemacht!!!! Surrt und blinkt!!!!
Nichts wie zurück…noch eine winzige Warteminute und schon kam Ryan – „unser“ Ryan und führte uns auch an „unseren“ perfekten Tisch…alles gedeckt…und komplett vorbereitet…genau die richtige Anzahl Plätze….eben alles perfekt!
Genau wie das Essen!
Niemals gäbe es bei uns in Deutschland einen solchen Service! Alle Softdrinks und Säfte werden OHNE ENDE (!!!!) nachgefüllt!!! Ebenso die Riesensalatschüsseln mit allerfeinsten knackig frischen Genüssen und die unglaublich leckeren Brote im Körbchen....sorgsam eingehüllt in eine blütendweiße und gestärkte Stoffserviette....!
Mehr hätte ich eigentlich gar nicht gebraucht zur Sättigung!
Aber natürlich gab´s auch anschließend noch die eigentlich bestellten Hauptgerichte….alles zum Schlemmen bis zum Umfallen, wahrhaftig!!!! Wobei man ALLES, was man wirklich nicht mehr essen konnte, noch ohne irgendwelche Probleme in kleine Doggybags verpackt bekam! Paradies, oder? Davon hätte noch gut und gerne eine ganze Nationalmannschaft mit satt werden können!
Und das Ganze für kaum mehr als umgerechnet unglaubliche 18,00 Euro pro Nase!
Und das in New York und nicht irgendeiner Provinz????
Ach ja….Ryan….wollte ich ja eigentlich erzählen….
Ryan war unser ganz persönlicher Schatz…holte alles, brachte alles, schaute nach uns, ob etwas fehlte, servierte hier eine Karaffe kühlen Orangensaft oder stäubte dort etwas frisch gemahlenen Käse über die Nudeln….fehlten nur noch die Palmwedel…. Dabei unterhielt er sich mit uns…immer diskret, aber immer persönlich, befragte uns, erzählte von sich….zaubersüß und lustig!
Als es dann darum ging, den von ihm empfohlenen Wein zu probieren, war unsere Tochter die einzige, die das mal machen wollte….
Damit brachte sie (ganz ungewollt) unseren Ryan ein klein wenig in Verlegenheit! Aber nur ein klein wenig!
Wie alt sie sei? Hm….twenty….sorry, a little bit too young (strengstes Alkoholmindestalter in den USA: 21!), but maybe Your Dad….womit er flugs diesem ein Glas eingeschenkt hatte…und was der dann damit machte…war nicht mehr Ryans Verantwortung.....
Hätte einer von uns gerade an dem Tag Geburtstag gehabt, hätte es übrigens noch ein ganz besonderes anderes Highlight gegeben: Eine Geburtstagsparade!
Die haben wir also nur an unserem Tisch vorbeiziehen sehen (und hören) können in Richtung des Geburtstagskindes…alle Mitarbeiter (samt Ryan), laut jubelnd, schellend, trommelnd, mit Tamburin, Kerzen, Singen, das ganze Programm, quer durchs verdunkelte Restaurant!
Show also auch inclusive! Für unsere Augen und Ohren komplett und total ungewohnt!
Da mussten wir uns natürlich auch von Ryan ein wenig exclusiver verabschieden!
Heiße Diskussionen und eifriges Werkeln am Tisch….schon war sein „Tip“ (Trinkgeld) fertig gebastelt! Er hat auch sehr schnuckelig gegrinst angesichts des Geldscheinschiffchens auf dem Rechnungsteller!

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